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Wende auf Russisch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wende auf Russisch

Michael Blaschke

ISBN (Buch): 978-30940627-05-6

Preis: € 13,90 (D)

 

 

 

Kurzbeschreibung:

Anfang der neunziger Jahre, nach dem Zusammenbruch der Ostblockstaaten, versuchten viele Menschen im westlichen Ausland ihr Glück zu machen. Mit guten und oft auch mit bösen Absichten. Einige verschlug es nach Berlin, doch mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende Qualifikation lassen sie in Kreise der russischen Unterwelt abgleiten. Um zu überleben, werden sie kriminell, mit Korruption, Prostitution, Schwarzgeld, Erpressung und Falschgeld. Mafiöse Strukturen wollen die „Neuen“ nicht in ihren Kreisen. Sie werden ausgenutzt um im Ausland Mädchen anzuheuern, die dann in Deutschland zur Prostitution brutal gezwungen werden sollen. Das läuft nicht immer glatt. Einige bezahlen mit ihrem Leben andere gehen enttäuscht und mit leeren Taschen wieder zurück in ihre Heimat. So zerschlägt sich der Traum vom schnellen Geld.

 

 

Leseprobe:

Werner Gruber wurde in eine gutbürgerliche Familie hineingeboren.

Er war der Stammhalter, er genoss das besondere Interesse seiner Eltern. Der zweite Sohn, Eugen, wurde in seiner Kindheit und Jugend oft benachteiligt. Er litt unter seinem Namen, der so gar nicht mehr in die Zeit passte. Die Eltern waren sehr konservativ eingestellt. Das wirkte sich auf die gesamte Erziehung aus. Der Vater war Ingenieur und hatte in einen mittelständischen Betrieb eingeheiratet, das Unternehmen vergrößert und profitabler gemacht. Seine Schwiegereltern waren von ihm angetan und für die Tochter war er die große Liebe. Oberflächlich gesehen war es für alle die ideale Verbindung, aber eben nur oberflächlich.

 

Die Mutter war eine zarte Person, im Wesen sehr zurückhaltend. Sie sah die Dinge eher kritisch. Ihr Lebensstil war anspruchsvoll. Auf dem humanistischen Gymnasium hatte sie die Welt der Muse entdeckt und wollte Kunstgeschichte studieren. Durch ihre Heirat und die Geburt ihrer Söhne, verschob sie das Studium auf einen späteren Zeitpunkt. Es blieb dabei. Sie beschäftigte eine tüchtige Kinderfrau und zwei Haushaltshilfen, doch meinte sie, die Erziehung ihrer Kinder nicht gänzlich aus der Hand zu geben.

 

Die Familie lebte in einem herrschaftlichen Anwesen oberhalb der Stadt. Mit den Jahren hatten auch andere Bürger einen Platz in dieser bevorzugten Wohnlage gefunden. So entwickelte sich ein Viertel gut situierter, finanziell einflussreicher Bürger. Die Grubers, alleinige Inhaber eines metallverarbeitenden Betriebes, galten als die reichsten Bürger dieser verschlafenen, schwäbischen Stadt. Die Villa, ein feudaler weißer Bau, war nicht nur Wohnsitz, sondern diente auch zur Repräsentation. Sie lebten gut und gediegen, sie protzten nicht mit ihrem Reichtum. Bernd Gruber hatte es anfangs nicht leicht, notwendige Veränderungen durchzusetzen. Der gesundheitlich angeschlagene Schwiegervater übergab ihm die Firma und er nutzte die Chance, um den Betrieb zu modernisieren.

 

Seine Frau Brigitte interessierte sich nicht für das Geschäftliche. Das Personal kümmerte sich um den Haushalt und sie um die Erziehung der Kinder. Der ältere Sohn Werner entwickelte sich nicht so, wie die

Eltern es erwarteten. Er war klein, mit schmalen Gliedern und einem mädchenhaften Gesicht. Er versuchte es mit übertriebenem, männlichen Gehabe auszugleichen. Zweifellos kam er nach seiner Mutter.

Für die Familie wurde die Zeit der Pubertät zu einem Problem. Er schleppte sich durch die Schulzeit, nur seine überdurchschnittliche Intelligenz half ihm, bei aller Faulheit, das Abitur zu schaffen.

 

Eugen war das krasse Gegenteil. Schwergewichtig, ja grobschlächtig schob er sich durch die Jahre. Obwohl er körperlich einem Holzfäller glich, war er von einer Sensibilität, die ihm schon als Kind eine sehr gefühlsbetonte Sicht der Dinge erlaubte.

 

Die beiden Brüder verstanden sich trotz ihrer verschie-denen Charaktere sehr gut. Die Mutter hatte immer darauf geachtet, dass niemand bevorzugt wurde. Der Vater war die absolute Respektsperson, was er sagte, oder besser befahl war Gesetz und wurde befolgt. Dieses Verhalten erlaubte keinen emotionalen Spielraum. Das Korsett der Gefühle war eng geschnallt.

 

Die Jahre vergingen, aus den Kindern waren junge Männer geworden. Ein Ereignis, das ihnen sehr nahe ging, verursachte einen Riss in der Familie. Die Mutter war nach kurzer Leidenszeit an Krebs verstorben. Das sorglose Leben, ohne materielle Entbehrungen im Schutz der Fa-milie, hatte sich verändert. Tage nach der Beerdigung bat der Vater seine Söhne ins Herrenzimmer, um die Zukunft der Familie zu besprechen. Sie hatten es sich bequem gemacht und warteten auf den Vater. Der Raum wurde von einer langen Bücherwand beherrscht, mit mächtigen, ledernen, antiquiert wirkenden Sitzgelegenheiten. Da hatten sie sich selten aufgehalten. Kalter Zigarrenrauch lastete auf den übrigen Gegenständen. Jagdtrophäen schmückten eine ganze Zimmerbreite, in einer Ecke stand ein eingestaubtes Klavier. Die beiden jungen Männer erinnerten sich noch gut daran, wenn der Vater seine Männerriege einmal im Monat einlud, oft Herren aus Kultur und Wirtschaft, was sich natürlich auf die Möglichkeit einer provinziellen Kleinstadt bezog. Für Bernd Gruber war das ein Versuch, einflussreich in den verschiedenen Gremien mitzuwirken. Für die jungen Leute waren das Relikte vergangener Zeiten. Nach dem Tod der Schwiegereltern ließen diese feuchten Geselligkeiten nach und nun, nach dem Tod seiner Frau, war daran nicht mehr zu denken. Sein Ehrgeiz war nicht mehr nötig und auch nicht erwünscht. Zudem machte ihm seine Gesundheit Probleme. Er hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, Haare lassen müssen. Hager und leicht gebeugt kam er und setzte sich zu seinen Kindern. Ein Hausmädchen brachte Kaffee und Gebäck und verließ geräuschlos das Zimmer.