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Wir morden gerne in Herne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir morden gerne in Herne

Krimi-Anthologie

ISBN (Buch): 978-3-940627-20-9

Preis: € 8,95 (D); 9,10 (A)

 

Kurzbeschreibung:

Herne, eine friedliche Stadt mitten im Ruhrgebiet. Doch hinter den Fassaden entwickelt sich hier und da eine kriminelle Energie, die ihres Gleichen sucht.

 

Lassen Sie sich in das Reich des Ruhr-Krimis entführen durch Beiträge von:

  • Brigitte Vollenberg
  • Vanessa Betti
  • Britt Glaser
  • Sanela Egli
  • Monika Buttler
  • Alexa Rudolph
  • Franziska Franz
  • Heinrich Peuckmann
  • Gabriele Nakhosteen
  • Christina Wermescher
  • Karin Büchel
  • Gerd Puls
  • Karl-Heinz Abraham

 

 

Leseprobe:

Heinrich Peuckmann

Fußball und Feiern

 

1.

Es war nicht schwierig gewesen, ihn an den abgelegenen Ort zu locken. Zwei Whatsapps unter Decknummer hatten gereicht, damit er tat, was von ihm erwartet wurde.

„Lass uns treffen, möchtest du das nicht auch? Es hat doch so schön mit uns angefangen. Komm zum Sportplatz des SV Sodingen.“

Er war sich sofort sicher gewesen, wer ihn da angeschrieben hatte. Auch das war gut geplant gewesen.

„Warum zu Sodingen, das ist doch gar nicht mein Verein“, fragte er aber nach.

„Weil wir da ungestört sind, du weißt schon.“

Natürlich war er gekommen, erwartungsfroh, man sah es seinem Gesicht auch aus dem Versteck hinter dem Gebüsch heraus an. Suchend blickte er sich um, offensichtlich verwundert, dass noch niemand auf ihn wartete. Jetzt hieß es Geduld bewahren, ihn näher herankommen lassen, nicht zu vorschnell handeln. Am besten wäre es, er würde vorbeigehen und an dem Gebüsch den Rücken zuwenden. Ja, das tat er, das tat er tatsächlich. Jetzt das Messer fest in die rechte Hand nehmen, dann vorspringen und zustoßen. Aber das Messer drang trotz der Wucht nur halb in seinen Körper ein. Er schrie auf und drehte sich hastig um.

„Was tust du, Mensch, du tust mir doch …“

Er konnte den Satz nicht aussprechen, denn beim Stich in den Bauch drang das Messer bis zum Schaft ein. Noch einmal zustechen, und noch mal und noch mal. Blut quoll aus seinem Körper und spritzte auf den Boden. Das Messer und auch die eigene Hand waren mit Blut beschmiert. Der Typ ging in die Knie, ein weiterer Stich war nicht nötig. Jetzt abhauen, so schnell wie möglich. Das Messer in den Kanal werfen und dann irgendwo die Hände säubern. So gründlich wie möglich, das war wichtig, denn es durften keine Spuren zurückbleiben. Wenn das gelang, war alles gelungen. Dann hatte der Kerl bekommen, was er verdient hatte.

 

2.

Als Anselm Becker am Sodinger Sportplatz ankam, war der Tatort links vom Eingang schon mit Flatterband abgesperrt. Zwei Polizisten, ein Mann und eine Frau, hatten das gemacht, ein Mann von der Spusi beugte sich gerade über die Leiche und sicherte Spuren. Nein, hier in Sodingen war Anselm Becker von der Dortmunder Kripo noch nie gewesen, was ja nicht gegen den Stadtteil sprach. Also hatte es hier in den letzten Jahren keine Morde gegeben.

Schon von weitem sah er, dass die Leiche blutüber­strömt war. Er musste erst ein paarmal tief durchatmen, bevor er sich näherte. Es war ein junger Mann mit modisch kurz geschnittenen Haare. Auf höchsten fünfundzwanzig schätzte Anselm ihn.

„Erstochen“, erklärte der Mann von der Spusi. „Eine regelrechte Blutorgie mit drei oder vier Stichen.“

„Also eine Tat aus Wut.“

„Aus Jähzorn würde ich sagen.“

„Dann war es kein Raubmord.“

„Ne, ganz bestimmt nicht. Portemonnaie und Handy sind noch da. Werte ich nachher aus, einverstanden?“

Anselm war es.

„Und wann ist es ungefähr passiert?“

„Gestern spät abends würde ich sagen. Genaueres erst später.“

„Ist klar“, Anselm nickte und schaute auf die Uhr. Jetzt war es kurz vor zehn, dann lag der Mord etwa 10 oder 12 Stunden zurück.

„Und wie heißt der Mann?“, fragte er.

„Stefan Breiter. Kommt hier aus Herne.“

Der Mann von der Spusi reichte ihm den Personal­ausweis, Anselm notierte sich die Adresse und blickte sich um. Erst jetzt entdeckte er den älteren Mann, der etwas abseits von dem Flatterband stand und zu ihm herübersah. Er ging auf ihn zu, froh, nicht mehr die Leiche sehen zu müssen. Der Mann trug eine bollerige Jeans, das Hemd spannte über dem Gürtel. Der Polizist kam auf ihn zu, um ihm etwas zu erklären, aber Anselm winkte ab. Er ahnte, weshalb der Mann dort stand.

„Sie haben die Leiche entdeckt, stimmt´s?“

„Ja, ich gehe hier manchmal spazieren, da habe ich zuerst die Blutlache entdeckt und dann den Mann. Ich habe mich furchtbar erschreckt und sofort die Polizei gerufen. Erst später habe ich erkannt, wer das ist.“

„Sie kennen den  Mann?“

„Sie etwa nicht? Das ist Stefan Breiter, der große Fußballstar von Westfalia Herne.“

„Breiter? Nie gehört“, antwortete Anselm. „Ich kenne Götze, Reus und Schmelzer, aber einen Breiter nicht.“

„Na gut“, antwortete der Mann, „Westfalia ist eine Nummer kleiner als Borussia, vielleicht sogar zwei, das will ich nicht bestreiten. Aber Stefan hätte das Zeug zu einem ganz Großen. Der könnte auch in Dortmund spielen, wenn er nicht so ein lockerer Vogel wäre. Geht die Feier weiter, dann mit Stefan Breiter.“

Der Mann grinste, Anselm fand den Gag angesichts der blutüberströmten Leiche unpassend.

„Aber gut für Westfalia, so bleibt er wenigstens“, fuhr der Mann fort. „Das heißt, jetzt bleibt er ja doch nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Wie schnell sich alles ändert.“

Ne, jetzt nicht auch noch irgendwelche platten Lebensweisheiten, dachte Anselm und wandte sich zum Gehen.

„Nennen Sie meinen Kollegen noch Ihren Namen und Ihre Adresse, falls wir noch Fragen haben“, sagte er und wandte sich den beiden Polizisten zu.

„Wissen die Angehörigen Bescheid?“

Die Polizistin schüttelte den Kopf. „Wir wissen nur, dass er im selben Haus wie seine Eltern wohnt, aber hingegangen sind wir noch nicht.“ Sie gab ihm einen Zettel mit der Adresse. Anselm atmete tief durch. Dann stand ihm also ein schwerer Gang bevor.